Logo

Nachrichten

Menü öffnen

Foto © 2025 Hans-Jakob Nollert

Vom Spielfeld auf die Trainerbank – Luca Guttandin im Interview
verfasst von Pascal Lattreuter

Mit der Saison 2025/26 beginnt bei den 1. Herren des TV Nierstein ein neues Kapitel: Luca Guttandin übernimmt das Traineramt von Sascha Wiehl – und bringt frischen Wind, klare Vorstellungen und viel Leidenschaft mit. Nach vielen Jahren als Spieler und Co-Trainer kennt Luca die Mannschaft bestens. Im Interview spricht er über seinen Wechsel auf die Trainerbank, neue Schwerpunkte im Training, seine Vorstellungen von Teamgeist – und über die kleinen und großen Herausforderungen, die auf ihn warten – auf und neben dem Spielfeld.

 

Luca, vom Spieler und Co-Trainer zum Chefcoach – was reizt dich an deiner neuen Aufgabe am meisten?

Ich glaube, es ist die Möglichkeit, wirklich etwas zu gestalten. Als Spieler gibt man auf dem Feld alles, als Co-Trainer unterstützt man viel im Hintergrund – aber als Cheftrainer hat man die Chance, eine klare Linie zu fahren, eine eigene Handschrift zu entwickeln und die Mannschaft über eine ganze Saison hinweg strategisch zu begleiten und zu formen.

Wie sicher bist du dir, dass du dich nicht doch mal selbst einwechselst, wenn es knapp wird?

(Lacht) Die Frage kam tatsächlich schon öfter – auch von Spielerseite. Meine Aufgabe ist jetzt, von außen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und wenn’s eng wird, vertraue ich auf die Jungs – genau dafür bereiten wir uns im Training schließlich vor. Aber sollte der Kader mal wirklich stark limitiert sein, dann schnüre ich auch gerne noch mal die Schuhe für die Herren 1 – aber nur in Abstimmung mit den Jungs und nach Gemeinschaftsentscheidung.

Wie gehst du mit der Herausforderung um, jetzt der ehemalige Mitspieler zu sein, der Ansagen macht und Verantwortung trägt?

Das ist ein schmaler Grat, klar. Ich kenne die Spieler schon seit vielen Jahren, teilweise aus meiner eigenen Jugend oder aus meiner Zeit als deren Jugendtrainer. Mir sind eine klare Kommunikation und gegenseitiger Respekt ausgesprochen wichtig – diese pflege ich zu den Jungs und sie auch zu mir. Ich bin nicht plötzlich ein anderer Mensch – aber meine Rolle hat sich verändert, und das wissen die Jungs auch. Ich glaube, wenn man ehrlich und transparent bleibt, funktioniert das sehr gut.

Welche Dinge wirst du in deiner Trainerrolle anders angehen – sei es im Training, in der Ansprache oder in taktischen Bereichen?

Ich möchte das Training strukturierter aufbauen – mit einem klaren roten Faden, der sich über Wochen oder im besten Fall über die ganze Saison zieht. Gleichzeitig will ich die individuelle Entwicklung, insbesondere der vielen noch sehr jungen Spieler, noch weiter in den Fokus rücken. Taktisch wollen wir variabler werden, insbesondere in der Abwehr. Und auch in der Ansprache will ich authentisch bleiben, aber eben auch fordernd, denn ich fordere viel von der Mannschaft, aber ich bin auch bereit sehr viel zu geben und zu investieren.

Gibt es einen handballspezifischen Schwerpunkt, z. B. ein Abwehrsystem oder eine Spielidee, die du besonders betonen oder weiterentwickeln willst?

Ja, absolut. Spielerische und taktische Schwerpunkte ergeben sich aus dem Spielermaterial, das einem als Trainer zur Verfügung steht. Ich sehe viel Potenzial in einer offensiveren Abwehr, die wir weiter ausbauen und ballgewinnorientiert ausrichten wollen. Gleichzeitig möchte ich im Angriff den Fokus auf klare Entscheidungsstrukturen legen – nicht nur Spielzüge abspulen, sondern wirklich Spielsituationen lesen und Lösungen finden. Dazu gehören natürlich klare Konzepte, die Sicherheit bringen, aber auch ein hoher Grad an Variabilität und Lösungsoptionen für unterschiedliche Spielsituationen.

Das geht nicht von jetzt auf gleich. Dieser Prozess verlangt das Vertrauen der einzelnen Spieler, aber ich bin guter Dinge, dass wir diesen Prozess mit der richtigen Einstellung massiv beschleunigen können.

Als Fußballfan und Juventus Turin-Anhänger: Gab es als Spieler Trainingstage, an denen du insgeheim gehofft hast, pünktlich zur 2. Halbzeit der Champions League durch zu sein? Und wie wirst du als Trainer damit umgehen, wenn vielleicht ein anderer Spieler die Bayern oder – wenn es klappt – sogar Mainz 05 international sehen will?

(Lacht) Ich würde lügen mit der Behauptung, dass ich nicht auch unfassbar gerne Profisport im Fernsehen schaue. An manchen Dienstagen war das schon im Hinterkopf – aber Priorität hatte immer das Training. Außerdem hat es sich inzwischen etabliert, dass wir direkt im Anschluss an unser Training, dessen Zeiten wir zu besonderen Anlässen auch mal flexibel gestalten können, einen Teil der Champions League Spiele auf einem mobilen Endgerät zusammen schauen. Das fördert die Gemeinschaft – aber der Fokus liegt auf dem eigenen Training.

Champions League schön und gut, aber unsere Spiele gewinnen sich nicht von allein. Wer im Herrenbereich spielt, bringt die Bereitschaft mit, auch mal das Spiel auf dem Handy nachzuschauen, wenn’s sein muss…. Über die Mainzer muss ich mir leider nach den letzten Saisonspielen wohl keine Gedanken mehr machen…

Wenn beim Warmmachen mal gekickt wird, bist du zumindest dort sicherlich mit von der Partie, oder? Welcher Juventus-Spieler hätte in deiner Mannschaft Stammplatzpotenzial?

Klar, da bin ich mit am Start – das gehört dazu und macht einfach Spaß. Außerdem muss ich ja auch irgendwie fit bleiben, wenn ich künftig auch in unserer zweiten Mannschaft spielen möchte.

Und wenn ich mir einen Juventus-Spieler aussuchen müsste? Die Qualität von Juventus Turin hat in den letzten Jahren leider sehr gelitten. Aber ich würde mich ganz klar für Kenan Yildiz entscheiden. Ein junger und dynamischer Spieler, der die richtige Einstellung und Leidenschaft an den Tag legt und nichts über die Mannschaft stellt. Außerdem bringt er mit seinen schnellen Bewegungen und Dribblings immer viel Torgefahr mit sich. Als Handballer würde der gut in unseren Kader passen.

Wie schätzt du den aktuellen Kader der 1. Herren ein – welche Stärken erkennst du, wo siehst du konkreten Handlungsbedarf?

Zunächst bin ich sehr stolz, dass wir keine Abgänge zu verzeichnen haben. Die Jungs sind gewillt, gemeinsam einen neuen Weg einzuschlagen und mit diesem Team und dem TV Nierstein Erfolge zu feiern. Dieses positive Mindset wird in meinen Augen auch dadurch bestätigt, dass ich bisher zwei Neuzugänge gewinnen konnte, die zu einer besseren Kadertiefe beitragen werden.

Insgesamt haben wir individuell sehr gute Spieler mit ganz unterschiedlichen Stärken im Kader – das bietet eine großartige Basis für die Entwicklung als Mannschaft. Wir müssen in Anlehnung an die individuellen Stärken jedes Einzelnen klare Rollen und Aufgaben auf dem Spielfeld verteilen, um als Einheit auf dem Platz aufzutreten und konstanter zu werden. Es muss ganz klar sein, wer was in welcher Spielsituation zu tun hat. In dem Zuge müssen sich auch wieder Gallionsfiguren in der Mannschaft entwickeln, die Verantwortung übernehmen und für das Team einstehen. Das ist besonders für junge Spieler ein Prozess, den ich durch mein neues Amt aber gerne initiieren möchte.

Konkret sehe ich auf spielerische Ebene vor allem im Umschaltspiel noch Luft nach oben. Wir müssen mehr über die Schnelligkeit kommen und wesentlich mehr „einfache Tore“ über die erste und zweite Welle erzielen. Tempospiel beginnt beim Torwart und endet nicht nach Torabschluss – auch die Rückwärtsbewegungen sind eklatant wichtig, um im Verbund wieder kompakt zu stehen.

Du kennst die Mannschaft sehr gut – was wird sich durch deinen neuen Blick als Cheftrainer verändern?

Eben dadurch, dass ich die Spieler und ihre Stärken und Schwächen sehr gut kenne, werde ich noch stärker auf Details achten können und, wie bereits erwähnt, klarere Rollen im Team verteilen.

Jeder, der mich vom Handball kennt, weiß von meiner Überzeugung: Ein Team ist nur erfolgreich, wenn das Mannschaftsgefüge – auch neben dem Platz – als Einheit auftritt. Positive Erlebnisse mit den Kameraden fördern die Trainingsbeteiligung, das Vertrauen und den Spirit, den jedes gute Team braucht. Deswegen starten wir mit einem frühen Trainingslager, das auch eine schöne Weinbergsrundfahrt als Teamevent umfasst, in die Vorbereitung. Gemeinschaft formt sich nur über gemeinsame Aktivitäten, gemeinsame Zeit und gemeinsame Ziele. Eine zweite ganz wichtige Basis für spielerischen Erfolg.

Was dürfen die Jungs – und auch wir als Abteilung sowie der gesamte Verein – vom neuen Cheftrainer Luca Guttandin erwarten?

Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig: mit Leidenschaft und großem Enthusiasmus.

Ich will ehrliche Arbeit, Zusammenhalt und Entwicklung sehen. Von jedem – auch von mir selbst. Wenn wir das gemeinsam auf die Platte bringen, bin ich überzeugt, dass wir eine starke Saison spielen werden.

Großer Vereinsmensch war ich schon immer und ich liebe das Vereinsleben. Deswegen möchte ich an dieser Stelle auch jeden dazu motivieren, zu unseren Spielen zu kommen, die gute Atmosphäre in der Halle – vielleicht auch in einer Art Stammtisch – zu genießen und uns auf unserem Weg positiv zu unterstützen. Wir haben in der Niersteiner Rundsporthalle  wirklich guten Handballsport direkt vor der Haustür, deswegen freue ich mich über viele Besucher, die den Niersteiner Handball lieben oder lieben lernen. Unsere Zuschauer, die Abteilung und der gesamte Verein dürfen von mir und der Mannschaft jedenfalls pure Leidenschaft, Zielstrebigkeit und Handball mit Wille und Herz erwarten.

Zum Abschluss noch etwas Persönliches: Die Geburt deiner Tochter steht quasi unmittelbar bevor – dafür wünschen wir dir und deiner Frau natürlich alles erdenklich Gute! Wenn wir in unsere Glaskugel schauen, sehen wir in drei Jahren eine kleine Guttandin mit Mini-Trikot und Zopf bei den Bambinis flitzen – wie realistisch ist diese Vision?

Vielen Dank! Das Szenario würde ich auf keinen Fall ausschließen (lacht). Mit zwei Handballern als Eltern wird die Kleine automatisch oft mit in der Halle dabei sein und mit diesem familiären Vereinsleben aufwachsen. Ob der Handball letztlich ihre sportliche Passion wird, darf sie aber ganz alleine entscheiden. Ich fände es auf jeden Fall hervorragend!

 

Mit viel Enthusiasmus, klaren Zielen und einer tiefen Verbundenheit zum TV Nierstein startet Luca Guttandin in seine erste Saison als Cheftrainer. Die Mannschaft darf sich auf Struktur, Leidenschaft und Teamgeist freuen – und der Verein auf einen Trainer, der nicht nur auf, sondern auch neben dem Spielfeld vorlebt, was Zusammenhalt bedeutet.

Kurz nach unserem Interview wurde Luca Vater einer kleinen Tochter namens Nevia! Wir gratulieren ihm und seiner Familie von Herzen und freuen uns darauf, Luca sowohl als Trainer als auch als frischgebackenen Papa in der Rundsporthalle zu erleben.

Handball

Zurück
Pascal Lattreuter
Beisitzer